Feline Hypertonie – das Unsichtbare sichtbar machen


Von Dr. med. vet. Evamaria Schatzmann

Die Hypertonie bei der Katze wird deutlich unterdiagnostiziert. Die klinischen Folgen der Hypertonie können aufgrund von Endorganschäden, die die Augen, Nieren, das Herz und Gehirn betreffen, schwerwiegend und teilweise irreversibel sein.
 

Häufiger als man denkt

Bis zu 13 % der gesunden Katzen im Alter von ≥ 9 Jahren leiden an Hypertonie. Bei Katzen, die eine Begleiterkrankung haben, steigt die Häufigkeit sogar auf 87 %.1
 

Oft im Zusammenhang mit anderen Krankheiten

Nur ca. 20 % der Katzen weisen eine idiopathische Hypertonie auf.2

Die häufigste Form ist die sekundäre Hypertonie, die oft auf eine zugrunde liegende Krankheit, wie Chronische Nierenerkrankung (CNI), Hyperthyreose, primärer Hyperaldosteronismus, Hyperadrenokortizismus und Phäochromozytom zurückzuführen ist.2

So leiden bis zu 65 % aller Katzen mit CNI, ca. 23 % mit Hyperthyreose und ca. 60 % mit primärem Hyperaldosteronismus auch an Hypertonie.2
 

Von unsichtbar zu sichtbar

Mit zunehmendem Alter der Katze (> 9 Jahre) steigt der Blutdruck an – pro Jahr um 1-2 mmHg.2,3 Doch viele Katzen leiden unbemerkt an einer Hypertonie. Prophylaktische Blutdruck-Messungen sind für eine frühzeitige Diagnose und Therapie der felinen Hypertonie sehr wertvoll, um Endorganschäden vorzubeugen. Ab einem Alter von 7 Jahren sollte der Blutdruck mindestens jährlich überprüft werden.2

Monitoring des Blutdrucks2

Katzen Frequenz der Blutdruckmessung
Gesunde erwachsene Katzen (3-6 Jahre)Evtl. alle 12 Monate
Gesunde ältere Katzen (7-10 Jahre)Mind. alle 12 Monate
Gesunde geriatrische Katzen (≥ 11 Jahre)Mind. alle 6-12 Monate
Katzen mit Risikofaktoren:
- Grunderkrankungen: CNI, Hyperthyreose, primärer Hyperaldosteronismus, Hyperadrenokortizismus, etc.
- Medikamentöse Therapie, z. B. Erythropoetin
- Anzeichen von Endorganschäden
Sofort messen und mindestens alle 3-6 Monate neu bewerten
Eine routinemässige Überwachung des Blutdrucks bei Katzen beugt Endorganschäden vor.

Management der felinen Hypertonie

Neben der Messung des systolischen Blutdruckes sollten hypertensive Katzen sorgfältig sowohl auf Endorganschäden als auch auf das Vorliegen einer Grunderkrankung untersucht werden.

Klassifizierung der Hypertonie nach dem Risiko der Schädigung der Endorgane und Kriterien zur Rechtfertigung einer antihypertensiven Therapie2

Risiko-klasseSystolischer Blutdruck (mmHg)Risiko von EndorganschädenAntihypertensive Therapie
I< 150Minimales RisikoBei Anzeichen eines möglichen Endorganschadens klinische Symptome und Blutdruck sorgfältig überwachen und andere mögliche Ursachen für die Symptome abklären
II150-159Geringes RisikoJa, bei eindeutigen Anzeichen eines okulären oder neurologischen Endorganschadens
III160-179Mittleres RisikoJa, bei Anzeichen von Endorganschäden, einschliesslich Augen-, neurologische, kardiale oder Nierenschäden
IV180Hohes RisikoJa

 

Amlodipin als Medikament der ersten Wahl2,4,5

Das Ziel der Therapie der felinen Hypertonie ist es, das Risiko für Endorganschäden zu senken und die Gesundheit der Katzen zu erhalten und verbessern. Die Konsensus-Leitlinien von ACVIM, IRIS und ISFM sind sich einig, dass das anfängliche Mindestziel darin besteht, einen systolischen Blutdruck von < 160 mmHg zu erreichen.2,4,5 Das optimale langfristige Ziel sollte gemäss den ACVIM-Leitlinien ein systolischer Blutdruck von < 140 mmHg sein, um das Risiko von Endorganschäden maximal zu minimieren.4

Das Medikament der ersten Wahl zur Behandlung der felinen Hypertonie ist der Kalziumkanalblocker Amlodipin (Amodip®).2,4,5,6 Amlodipin wird oral verabreicht, mit einer Anfangsdosis von 0.125 mg/kg/Tag. Die Dosis kann erhöht werden, wenn kein angemessenes klinisches Ansprechen erreicht wurde.6

Mit Amlodipin ist eine Senkung des systolischen Blutdrucks bis zu 70 mmHg möglich.2 Da die Senkung des Bluthochdrucks dosisabhängig zu sein scheint, können auch Katzen mit einem höheren Blutdruck (z. B. > 200 mmHg) von Amlodipin profitieren, indem eine höhere Anfangsdosis von 0.25 mg/kg/Tag gewählt wird.2,6

Bei jeder diagnostizierten felinen Hypertonie die Grunderkrankung ermitteln und behandeln! Eine zusätzliche, blutdrucksenkende Therapie darf nicht ausser Acht gelassen werden.


Referenzen:

  1. Conroy M, et al. Survival after diagnosis of hypertension in cats attending primary care practice in the United Kingdom. J Vet Intern Med 2018;32:1846–1855.
  2. Taylor SS, et al. ISFM Consensus Guidelines on the Diagnosis and Management of Hypertension in Cats, Journal of Feline Medicine and Surgery 2017;19:288-303. 
  3. Bijsmans ES, et al. Changes in systolic blood pressure over time in healthy cats and cats with chronic kidney disease. J Vet Intern Med 2015; 29:855–861. 
  4. Acierno MJ, et al. ACVIM consensus statement: Guidelines for the identification, evaluation, and management of systemic hypertension in dogs and cats. J Vet Intern Med 2018;32(6):1803-1822.
  5. IRIS International Renal Interest Society. Treatment Recommendations for CKD in Cats. 2023. http://www.iris-kidney.com/pdf/IRIS_CAT_Treatment_Recommendations_2023.pdf.
  6. Fachinformation Amodip® unter www.tierarzneimittel.ch (01.2019).

Fachpersonen können die genannten Referenzen anfordern.

Amodip®1.25 mg ad us. vet., teilbare Kautabletten für Katzen. W: Amlodipin. A: Zur Behandlung der systemischen Hypertonie bei Katzen. D/A: Oral mit oder ohne Futter in einer empfohlenen Anfangsdosis von 0.125-0.25 mg/kg. Nach 14-tägiger Behandlung kann die Dosis verdoppelt oder bis auf 0.5 mg/kg einmal täglich gesteigert werden, wenn kein angemessenes klinisches Ansprechen erreicht wurde. GA: Kardiogener Schock, schwere Aortenstenose, schweres Leberversagen, bekannte Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der sonstigen Bestandteile. NW: Leichtes und vorübergehendes Erbrechen, leichte und vorübergehende Erkrankungen des Verdauungstrakts, Lethargie, Dehydratation, leichte hyperplastische Gingivitis mit Vergrösserung der submandibulären Lymphknoten. WW: Blutdrucksenkende Wirkstoffe, negativ chronotrope oder inotrope Wirkstoffe. AK: B. Z: Biokema SA, Crissier. Ausführliche Informationen unter www.tierarzneimittel.ch.


Crissier, den 1. April 2024