Es ist häufig zu beobachten, dass bei einem Festlieger-Syndrom nach dem Abkalben (FL) eine verringerte Konzentration von Phosphor (genauer gesagt anorganischem Phosphat) im Blut vorliegt. Dazu kommt oft eine normale Kalzämie bei diesen Kühen, was einige Ernährungsberater zu der Schlussfolgerung geführt hat, dass die Phosphorzufuhr vor dem Abkalben eine Rolle bei der Entwicklung des Milchfiebers oder des Festliegersyndroms (FL) spielt und somit eine Erhöhung der Phosphorzufuhr während der Vorbereitungsphase erforderlich ist.

Mechanismen der post-partum Hypophosphatämie

Die Hauptursache der Hypophosphatämie ist die Hypokalzämie. Beim Abkalben wird ein großer Teil des Kalziums vom Blut in die Milchdrüse geleitet, um das Kolostrum mit Kalzium anzureichern, was zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Hypokalzämie führt. Die Kuh reagiert auf diese Hypokalzämie mit einer erhöhten Sekretion von Parathormon (PTH), welches nicht nur eine Normalisierung der Kalzämie bewirkt, sondern auch zwei weniger bekannte Effekte hat: 1) eine Verschiebung von Phosphat in die Speicheldrüsen und 2) eine Erhöhung der Phosphatausscheidung im Urin. Diese Mechanismen, zusammen mit der verminderten Nahrungsaufnahme aufgrund der Hypokalzämie, führen zu einem Abfall der Phosphatkonzentration im Blut (Goff 2004). In den meisten Fällen geht die Korrektur der Kalzämie mit einer Normalisierung der Phosphatkonzentration einher. Allerdings gelingt es etwa 10 % der Kühe (Goff 2016) nicht, ihre Phosphatämie zu normalisieren und sie werden zu "Downer Cows". Der Grund, warum diese Minderheit von Kühen ihre Phosphatämie nicht wiederherstellen kann, ist unbekannt (Goff 2004).

Erhöhung der Phosphorzufuhr vor dem Abkalben: eine gute Idee?

Die Antwort ist eindeutig NEIN. Einer der Mechanismen zur Wiederherstellung der Kalzämie ist die Aktivierung von Vitamin D3 durch das Enzym 1α-Hydroxylase, das unter dem Einfluss von PTH in der Niere produziert wird (Goff 2014). Dieses Enzym funktioniert optimal, wenn die Phosphorzufuhr begrenzt ist (Yoshida et al., 2001). Eine hohe Phosphorzufuhr in der Übergangsphase kann daher die Aktivierung von Vitamin D3 hemmen und die Wiederherstellung einer optimalen Kalzämie beeinträchtigen (URL Doccheck). Es wird empfohlen, die Phosphorzufuhr auf maximal 0,4 % der Gesamtration in der Übergangsphase zu beschränken, da höhere Phosphorgehalte das Risiko für FL erhöhen (Goff 2014).

Massnahmen bei post-partum Hypophosphatämie

Auch wenn Phosphor nicht direkt in die Pathophysiologie des Festliegersyndroms involviert ist, ist es entscheidend, die Hypophosphatämie so schnell wie möglich zu korrigieren, um die Vitalfunktionen der Kuh wiederherzustellen. Phosphit-Infusionen sind ineffektiv, da diese Moleküle nicht absorbiert werden (Cheng 1998). Die Hauptkorrektur besteht in der oralen Verabreichung von Phosphaten in Form von Drench oder Bolus. Die Zusammensetzung des verabreichten Produkts sollte anhand der Blutanalyse bestimmt werden, oft ist ein Phosphatpräparat allein ausreichend, da die Kalzämie bereits korrigiert ist.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

• Hypophosphatämie ist eine Folge, und keine Ursache des Festliegersyndroms, bedingt durch Hypokalzämie.

• Es wird empfohlen, die Phosphorzufuhr auf etwa 0,35 % der Vorbereitungsration zu beschränken.

• Die optimale Prävention der Hypophosphatämie ist die Prävention der Hypokalzämie.

• Bei bestätigter Hypophosphatämie wird eine orale Phosphatzufuhr gemäß den Ergebnissen der Blutanalyse empfohlen.

Referenzen:

• Goff JP. Macromineral disorders of the transition cow. Vet Clin Food Anim Pract 2004; 20:471-494.

• Goff JP. Personal communication. 49th Annual Conference of the AABP 2016, Charlotte, NC, USA.

• Goff JP. Calcium and Magnesium Disorders. Vet Clin Food Anim Pract 2014; 30:359-381.

• Yoshida et al. Dietary phosphorus deprivation induces 25-hydroxyvitamin D3 1alpha-hydroxylase gene expression. Endocrinology 2001; 142(5):1720-26.

• https://flexikon.doccheck.com/de/Calcitriol

• Grünberg et al. Phosphorus content of muscle tissue and muscle function in dairy cows fed a phosphorus-deficient diet during the transition period. J Dairy Sci 2019; 102:1-22.

• Cheng YS, Goff JP. Restoring normal blood phosphorus concentrations in hypophosphatemic cattle with sodium phosphate. Veterinary Medicine 1998; 93:383-388.